Ladeinfrastruktur LIS

Grundlagen

Was ist die Ladeinfrastruktur (LIS)

In der AMPERIX®-Welt unterscheiden wir zwischen Energiedienstleistungen und Aktuatorgruppen. Energiedienstleistungen bestimmen beispielsweise, welche Leistung an eine Aktuatorgruppe, d.h. eine Gruppe steuerbarer Geräte, zu vergeben ist. Die Aktuatorgruppe ist dafür zuständig, diese Leistung an die Geräte zu verteilen.

Die LIS ist eine spezifische Aktuatorgruppe, die ausschließlich aus Ladepunkten besteht. Über ihre Parameter wird definiert, wie elektrischer Strom auf die einzelnen Ladepunkte verteilt wird.

Mehrere LIS-Aktuatorgruppen

In Strategien werden Aktuatorgruppen Energiedienstleistungen zugeordnet. Es ist möglich, mehrere LIS-Aktuatorgruppen anzulegen. Allerdings darf innerhalb einer Strategie nur eine LIS aktiv sein, d.h. einer Energiedienstleistung zugeordnet sein. So kann über unterschiedliche Strategien zwischen unterschiedlichen Verteilungsparametrisierungen gewählt werden. Die jeweils aktive Strategie wird durch den Entscheidungsbaum definiert.

Beispiel 1: An einem Firmenparkplatz soll der Ladestrom tagsüber nach Prioritäten verteilt werden, um an bestimmten Ladesäulen schneller zu laden. Abends und am Wochenende soll die Verteilung dagegen fair sein.

Beispiel 2: Während der Arbeitszeit ist der Strom für die Ladesäulen zu begrenzen, um den Netzanschlusspunkt nicht zu überlasten. Nach Feierabend, wenn die Maschinen abgeschaltet sind, spielt das keine Rolle.

Beispiel 3: Nur während der Arbeitszeit soll das Laden an allen Ladepunkten möglich sein, danach nur noch an einer Teilmenge der Ladepunkte.

Die LIS regelt Stromstärken, keine Leistung

Die LIS regelt lediglich die Stromstärken der Ladepunkte, nicht jedoch die Ladeleistung. Die Ladeleistung kann sich zwischen zwei Ladepunkten bei gleicher zugewiesener Stromstärke erheblich unterscheiden. Dafür kann es mehrere Ursachen geben:

  • Die Fahrzeuge laden mit unterschiedlichen vielen Phasen: Einige Fahrzeuge laden nur ein-phasig, während andere drei-phasig laden
  • Der Ladestrom kann durch das Fahrzeug selbst begrenzt werden:
    • Durch eine Benutzerkonfiguration
    • Die Ladeleistung des Fahrzeugs ist grundsätzlich beschränkt und ist niedriger, als die vom Ladepunkt maximal angebotene Leistung
    • Einige Fahrzeuge bieten dem Benutzer eine “prozentuale” Begrenzung in Bezug auf die durch den Ladepunkt zur Verfügung stehende Leistung an. Bietet der Ladepunkt bspw. 11 kW an, könnte der Benutzer mit einer prozentualen Konfiguration auf 50% die Leistung auf 5,5 kW begrenzen
    • Bestimmte Fahrzeugtypen haben eine signifikante Blindleistung

Einstellen auf AMPERIX® UI

Erstellen der Aktuatorgruppe

Eine Ladeinfrastruktur wird als Aktuatorgruppe angelegt. Im Bild wird das entsprechende Einstellungsfenster angezeigt. In der Aktuatorgruppe werden die “sicherungsrelevanten” Grenzen festgelegt. Diese Limits sind absolute und können auch durch andere Werte nicht überschritten werden.

Die einzelnen Parameter sind wie folgt:

Name:

Der Name der Aktuatorgruppe, kann vom Nutzer frei gewählt werden, solange der Name nicht schon von einer anderen Aktuatorgruppe verwendet wird.

Werden mehrere Ladeinfrastrukturen verwendet, werden sie über diesen Namen unterschieden.

Ein späteres Umbenennen ist möglich, wird aber dazu führen, dass bereits getätigte Einstellungen auf myPowerGrid auf ihre Standardwerte zurückgesetzt werden.

Typ / Parametrisierung

Hier muss als Typ "Leistungssetzpunkt" ausgewählt werden. Als Parametrisierung wird "Ladeinfrastruktur" gewählt.

Gesamt Limits:

In diesem Abschnitt werden Limits definiert, die für die Ladeinfrastruktur als Ganzes eingehalten werden müssen.

Es ist zu beachten, dass Ladepunkte/Autos eine gewisse Verzögerung haben, um neue Vorgaben umzusetzen. Zusätzlich wird das EMS nur alle 20 Sekunden neue Vorgaben für die Ladeinfrastruktur erzeugen, da es sich herausgestellt hat, dass viele Ladepunkte sich oft ändernde Vorgaben nicht unterstützen. Wenn kein schnell regelndes Gerät (z.B. eine Batterie) im System vorhanden ist, das Leistungsspitzen außerhalb der LIS abfangen kann, sollte bei der Einstellung ein gewisser Sicherheitsbereich vorgesehen werden.

Maximale Stromstärke am Netz:

Gibt die maximal zulässige Stromstärke am Netzanschlusspunkt an. Damit passt sich die Ladeinfrastruktur auch an den Verbrauch anderer Geräte an. Dieser Wert bezieht sich auf jede einzelne Phase, nicht auf deren Summe. Wenn kein Limit gewünscht ist, weil z.B. die Ladeinfrastruktur das Limit gar nicht erreichen kann, kann das Limit auch auf unbegrenzt gesetzt werden.

Die Stromstärkenbegrenzung am Netzanschlusspunkt benötigt einen für das EMS sichtbaren Stromzähler am Netzanschlusspunkt. Ist keiner vorhanden, wird dieses Limit ignoriert. In diesem Fall erscheint im Log ein Fehler.

Maximale Leistung am Netz:

Gibt den maximalen Bezug (Leistung) am Netzanschlusspunkt an. Damit passt sich die Ladeinfrastruktur auch auf den Verbrauch anderer Geräte an. Wenn kein solches Limit gewünscht ist, kann es auch auf unbegrenzt gesetzt werden.

Maximale Stromstärke für die Ladeinfrastruktur:

Gibt den maximalen Strombezug der Ladeinfrastruktur an. Im Vergleich zur maximalen Stromstärke am Netz, werden bei diesem Limit andere Geräte nicht betrachtet.

Stromlimits für Ladepunkte:

In diesen Bereich kann für jeden Ladepunkt die maximale erlaubte Stromstärke separat eingestellt werden.

Ladepunkte

Hier werden die Ladepunkte eingetragen, die von der Ladeinfrastruktur gesteuert werden sollen. Die Reihenfolge definiert auch die Reihenfolge der Einstellungen auf myPowerGrid.

Es können nur Ladepunkte ausgewählt werden, die in der Topologie einem Gerät zugeordnet sind. Werden Ladepunkte hier nicht angezeigt, so sollte die Topologie überprüft werden.

Einstellen der dazugehörigen Energiedienstleistung

Über eine Energiedienstleistung kann einer Ladeinfrastruktur eine Leistung zugewiesen werden, welche diese regulär verteilen soll. Durch Einstellungen auf myPowerGrid kann diese Leistung jedoch zeitweise (Feld "Maximale Dauer Ladefortsetzung") oder permanent (Haken "Zusatzbezug für minimale Fahrzeug-Ladeleistung") überschritten werden. Siehe auch Abschnitt Einstellen auf myPowerGrid: Ladeinfrastruktur (LIS) einstellen. Dabei werden jedoch die Limits, die in der Aktuatorgruppe eingestellt sind, nicht überschritten.

Im Folgenden wird angenommen, dass die Einstellungen von Energiedienstleistungen bekannt sind und es werden nur ein paar typische Energiedienstleistungen gezeigt.

In den Beispielen wird nur die Energiedienstleistung für Ladeinfrastruktur und Batterie beschrieben. Sollten mehrere Batterien existieren, wird davon ausgegangen, dass sie in einer Batterie-Aktuatorgruppe zusammengefasst sind. Ferner wird vorausgesetzt, dass alle Ladepunkte durch die Ladeinfrastruktur gesteuert werden.

Wenn von “Position in Topologie” die Rede ist, steht "ANDERE" für die Menge aller physikalischen Geräte (inklusive Nutzer), die weder Ladepunkt noch Batterie sind. Die Energiedienstleistungen für weitere Aktuatoren sind für die Beispiele nicht relevant und können nach Wunsch eingestellt werden.

Anwendungsbeispiel: Überschussladen hat höhere Priorität als Batterie

Ziel:

  • (PV-)Überschuss soll zuerst dazu genutzt werden, Elektroautos zu laden
  • Erst danach soll die Batterie geladen werden
  • Zusätzliche Energiemengen, die von der Ladesäuleninfrastruktur über Überschuss hinaus angefordert werden, sollen nach Möglichkeit von der Batterie zur Verfügung gestellt werden

Einstellungen:

  • Energiedienstleistung Batterie = Zielleistungsvorgabe: Eigenverbrauch
  • Energiedienstleistung Ladeinfrastruktur = Zielleistungsvorgabe (Fortgeschritten): Zielleistung in Watt: '0', Position in Topologie: "ANDERE"

Beispiel:

Anwendungsbeispiel: Überschussladen hat niedrigere Priorität als Batterie

Ziel:

  • Der (PV-)Überschuss soll zuerst dazu genutzt werden Batterien zu laden
  • Erst danach sollen die Elektroautos geladen werden

Einstellungen:

  • Energiedienstleistung Batterie = Zielleistungsvorgabe (Fortgeschritten): Zielleistung in Watt: '0', Position in Topologie: "ANDERE" (Beispiel siehe oben)
  • Energiedienstleistung Ladeinfrastruktur = Eigenverbrauchsoptimierung

In diesen Fall wird Zusatzbezug nicht durch Batterie ausgeglichen. Wenn die Ladeinfrastruktur keinen Zusatzbezug aus dem Netz tätigen soll, ist in der Aktuatorgruppe der maximale Netzbezug auf '0' zu setzen.

Anwendungsbeispiel: Maximaler Netzbezug mit Batterie zum zusätzlichen Ausgleich

Ziel:

  • Ladeinfrastruktur darf bis "LIMIT" Watt aus dem Netz beziehen
  • Batterie soll bei höherem Bedarf ausspeisen um noch mehr Laden zu können

Einstellungen:

  • Energiedienstleistung Batterie = Zielleistungsvorgabe (Fortgeschritten): Zielleistung in Watt: "LIMIT", Position in der Topologie: Netz
  • Energiedienstleistung Ladeinfrastruktur = Zielleistungsvorgabe (Fortgeschritten): Zielleistung in Watt: "LIMIT", Position in der Topologie: Netz

In diesem Fall wird die Batterie auch bis "LIMIT" aus dem Netz nachladen um so im späteren Bedarfsfall mehr Energie zur Verfügung stellen zu können.

Auswahl der Ladeinfrastruktur

In einer Strategie darf maximal einer Ladeinfrastruktur eine Energiedienstleistung zugewiesen sein.

Ausnahme: Alle verwendete Ladeinfrastrukturen haben für "Maximale Stromstärke am Netz" und "Maximale Leistung am Netz" unbegrenzt ausgewählt.

Wenn man zwischen Ladeinfrastrukturen umstellen will, muss das durch die Auswahl der Strategie im Entscheidungsbaum geschehen.

Einstellen auf myPowerGrid

Die Fein-Konfiguration der Ladeinfrastruktur-Aktuatorgruppe, erfolgt auf der Plattform myPowerGrid unter “Einstellungen: Ladeinfrastruktur” .

Sollten mehrere Ladeinfrastrukturen für das EMS eingerichtet sein, muss zuerst die zu konfigurierende LIS ausgewählt werden. Dabei werden die in den Aktuatorgruppen definierten Namen verwendet.

Ist nur eine Ladeinfrastruktur für das EMS eingerichtet, so wird diese automatisch ausgewählt.

Für jeden Ladepunkt wird angezeigt, welche Wallbox ihm in der Topologie zugewiesen wurde und wie der Gerätename lautet.

Die Einstellungen werden an das Gerät gebunden und nicht an die Wallbox Nummer in der Topologie, da einige der hier eingestellten Werte hardwareabhängig sind.

Standard Parameter

(1) Ladeleistungsverteilung:

Definiert wie die von der Energiedienstleistung zugewiesene Energie auf die Ladepunkte verteilt wird, nachdem alle Ladepunkte minimal laden. Es stehen die Optionen Fair und Priorisiert zur Verfügung.

Siehe Beispiele im Abschnitt: Verteilungsbeispiele

(2) Priorität:

Definiert welchen Ladepunkten zuerst Energie zugewiesen wird. Niedrigere Werte sind besser d.h. diesen Ladepunkten wird zuerst Energie zugewiesen. Bei gleicher Priorität wird zuerst dem Punkt, der weiter vorne in der List steht, Energie zugewiesen.

(3) VIP-Laden:

Es besteht die Möglichkeit, einen bestimmten (oder mehrere) Ladepunkt(e) beim Laden vorzuziehen und mit maximal möglicher Leistung zu laden, auch wenn hierfür der Ladevorgang bei anderen Ladepunkten unterbrochen werden muss.

Siehe Beispiele im Abschnitt: Verteilungsbeispiele

(4) Maximale gewünschte Ladeleistung [W]:

Maximale gewünschte Ladeleistung für diesen Ladepunkt in Watt.

(5) Zusatzbezug für minimale Fahrzeug-Ladeleistung [W]:

Die Möglichkeit, einem spezifischen Ladepunkt zusätzlich Leistung zuzuweisen, die über die Energie, die durch die Energiedienstleistung zugewiesen wurde, hinausgeht. Wenn der Haken "Zusatzbezug immer beziehen" nicht gesetzt ist, wird nur soviel Energie zusätzlich aus dem Netz bezogen, bis die minimale Ladeleistung erreicht ist.

Siehe Beispiele im Abschnitt: Verteilungsbeispiele

(6) Zusatzbezug immer beziehen

Wenn dieser Haken gesetzt ist, wird die festgelegte Leistung aus dem Netz auch über die minimale Ladeleistung hinaus bezogen.

Siehe Beispiele im Abschnitt: Verteilungsbeispiele

Experten Parameter

(7) Ladestart-Erkennungszeit [s]

Wenn das angeschlossene Fahrzeug innerhalb dieser Zeit nach Freigabe der Leistung nicht mit dem Ladevorgang beginnt, wird es als bereits geladen betrachtet und erst nach frühestens zwei Stunden wird erneut versucht, dem Ladepunkt Energie zuzuweisen.

Das Ausstecken des Fahrzeugs setzt diesen Status zurück, so dass einem neu eingesteckten Fahrzeug sofort Energie zugewiesen werden kann, auch wenn das vorherige Fahrzeug den Status ausgelöst hat.

(8) Anzahl Phasen

Die Anzahl der Phasen, die der Ladepunkt verwendet.

(9) Minimal benötigte Stromstärke [A]

Minimale Stromstärke, die benötigt wird, um den Ladevorgang zu starten. Nach Ladestandard sind dies sechs Ampere (= 4,2 kW drei-phasig). Es hat sich jedoch gezeigt, dass einige Fahrzeugtypen höhere Werte benötigen. Wenn dies der Fall sein sollte und der Wert bekannt ist, kann dieser hier eingestellt werden.

Es erfolgt keine Identifikation von Fahrzeugtypen. D.h. die Einstellung gilt für alle Fahrzeuge, die den Ladepunkt nutzen.

(10) Erwartete minimale Fahrzeug-Ladeleistung [W]

Wenn bekannt ist, dass ein Fahrzeug weniger Energie benötigt um das Laden zu beginnen, so kann dieser Wert hier eingestellt werden. Die kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn das Fahrzeug weniger Phasen unterstützt als der Ladepunkt, oder eine hohe Blindleistung hat.

Bei Wert von '0' wird der Wert automatisch berechnet aus Minimale Stromstärke und Phasenanzahl.

Bei öffentlichen Ladepunkten oder Ladepunkten mit wechselnden Fahrzeugtypen sollte der Wert auf '0' belassen werden.

(11) Maximale Dauer Ladefortsetzung [s]

Es hat sich herausgestellt, dass einige Fahrzeuge nach einer kurzen Unterbrechung der Ladefreigabe den Ladevorgang bei einer erneuten Freigabe nicht mehr starten. Daher erlaubt dieser Punkt für eine bestimmte Zeit den Ladevorgang mit minimaler Leistung fortzusetzen auch wenn von der Energiedienstleistung nicht genug Leistung zur Verfügung gestellt wird, um kurzfristige Leistungseinbrüche z.B. durch Bewölkung oder Verschattung der PV zu übergehen.

Dies kann zum kurzzeitigen Überschreiten der von der Energiedienstleistung zugewiesenen Leistung führen. Die grundlegenden Limits in der Aktuatorgruppe werden jedoch nicht überschritten.